Der Sommer 2020 war für uns alle ein „Aufatmen“ nach dem ersten Pandemie-Winter. Die Infektionszahlen waren deutschlandweit auf einem stabilen, niedrigen Niveau. Eine Normalisierung des Alltags in Richtung Vor-Pandemie-Bedingungen schien greifbar: Urlaub, Sonne, Strand und Meer war möglich. Der unbeschwerte Sommer 2020 wurde von einem harten Herbst mit hohen Corona-Inzidenzen und dem zweiten bundesweiten Lockdown abgelöst. Die rapide Zunahme der Infektionszahlen wurde durch das Auftreten der Beta-Variante sowie die kühleren Temperaturen erklärt.
Modellrechnung auf Basis österreichischer Daten
Ein Team, bestehend aus Forschern des Complexity Science Hub Vienna (CSH), der Medizinischen Universität Wien, dem Simulationsforscher Niki Popper und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), hat nun Modellrechnungen erstellt, die dem saisonalen Effekt der Corona-Pandemie auf den Grund gehen. Die Rechnungen basieren auf Daten, die auf Bezirksebene in Österreich gesammelt wurden. Für die Modellrechnung setzte das Forscherteam die Infektionszahlen je Bezirk in einen Zusammenhang zu verschiedenen Variablen, wie der Mobilität der Probanden, den vorherrschenden Hygienemaßnahmen in Schulen, Gastronomie sowie bei Veranstaltungen. Das Ergebnis der Untersuchung ist eindeutig: Vor allem sinkende Außentemperaturen sowie Großveranstaltungen führen zu einem deutlichen Anstieg der Infektionszahlen.
Warmes Wetter ist schlecht für das Virus
Anhand der analysierten Daten konnte der saisonale Effekt der Virus-Ausbreitung belegt werden. Bei einem Anstieg der Außentemperatur um 2,4 Grad Celsius nahm die Übertragungsrate im Mittel um 6,9 Prozent ab. Die Zunahme der Luftfeuchte führte sogar zu einem Minus von 17,1 Prozent. Diese Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass das Corona-Virus durch Sonneneinstrahlung deaktiviert werde und eine höhere Luftfeuchte die Aerosole schneller absinken lasse. Bei schlechtem Wetter mit Niederschlag oder bedecktem Himmel stiegen die Infektionszahlen deutlich an (+19 Prozent bzw. +15,5 Prozent). Gründe hierfür seien, dass man sich bei schlechtem Wetter vermehrt in geschlossenen Räumen aufhält und sich dadurch das Ansteckungsrisiko erhöht.
Hygienemaßnahmen waren wirkungsvoll
In Österreich waren die Schulen während des analysierten Zeitraums nicht geschlossen. Als Verhaltensregeln galt in der Schule, dass Schüler Masken abseits des Platzes tragen mussten, Singen in Räumen verboten war und der Sportunterricht nicht stattfand. Diese Maßnahmen führten zu einer Reduzierung des Infektionsgeschehens bei den unter 20-Jährigen um knapp 8 Prozent. Deutlicher wirkten sich die Hygienevorgaben in der Gastronomie und im Gesundheitsbereich aus: Die Registrierungspflicht, verkürzte Öffnungszeiten und reduzierte Besucherzahlen in Restaurants verringerten das Infektionsgeschehen um 18 Prozent. Die Besuchsverbote in Gesundheitseinrichtungen und die FFP2-Maskenpflicht sorgten für ein Minus von 20,6 Prozent.
Verzicht auf (Superspreading-)Events
Den deutlichsten Effekt auf die Infektionszahlen hatte das Verbot bzw. die Einschränkung von Events und Großveranstaltungen. Dies führte – laut der Forscher – zu einer Reduktion der Übertragungsrate um beeindruckende 37,5 Prozent. Dieser Wert liegt klar über dem gemeinhin angenommenen von 25 Prozent.
Die Studienergebnisse wurden aktuell auf dem Preprint-Server „arXiv“ veröffentlichten, und müssen noch von Fachkollegen überprüft werden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist hier abrufbar.