Aktuelle Nachrichten zu Lufthygiene, Corona und COVID-19 aus Forschung und Wissenschaft.
Nur ein Drittel der Lüftungsanlagen ohne Mängel
Aerosole gelten als der Hauptübertragungsweg für das Corona-Virus. In geschlossenen Räumen, in denen sich nachweislich die meisten Menschen mit dem Virus infizieren, gilt daher die goldene Regel: Lüften, Lüften, Lüften. So soll die Aerosol-Konzentration gering gehalten und das Risiko, sich mit dem Virus anzustecken, minimiert werden. In vielen Räumen, wie zum Beispiel in Schulen, Krankenhäusern, Hochhäusern oder Kaufhäusern, ist jedoch eine ordentliche Durchlüftung mit Fenstern nicht möglich oder ausreichend. Lüftungsanlagen gelten hier als Mittel der Wahl, um für ein gutes Raumklima und eine niedrige Aerosol-Konzentration zu sorgen. Die Bundesregierung hat daher bereits im Mai beschlossen, dass der Neueinbau stationärer Frischluft-Klimaanlagen in Schulen und Kitas vom Bundeswirtschaftsministerium mit bis zu 80% der Kosten gefördert wird.
TÜV: 2/3 der Lüftungsanlagen mit Mängeln
Aber jedes technische Hilfsmittel ist nur so gut wie seine Wartung. Die beste Lüftungsanlage kann zur potentiellen Viren- und Bakterienschleuder werden, wenn sie nicht richtig funktioniert. Der TÜV-Verband testet daher regelmäßig die Lüftungsanlagen in sogenannten prüfpflichtigen Gebäuden. Für das erste Pandemie-Jahr 2020 wurden nun die Ergebnisse im Baurechtsreport 2021 veröffentlicht. Das erschreckende Resultat: nur jede Dritte geprüfte Lüftungsanlage ist mängelfrei. Bei 34,2 Prozent der Anlagen beanstandeten die TÜV-Sachverständigen „wesentliche Mängel“, was einem Anstieg um 5,6 Prozentpunkte im Vergleich zum Report 2020 entspricht. Bei einem weiteren knappen Drittel wurden „geringfügige Mängel“ festgestellt.
Wartung ist das A und O
Für den Baurechtsreport wurden im Jahr 2020 von unabhängigen Sachverständigen der TÜV-Unternehmen 17.896 Lüftungsanlagen im laufenden Betrieb geprüft (plus 3.948); 2.236 wurden neu in Betrieb genommen (minus 136). Lüftungsanlagen sind – so der TÜV-Verband – ein wichtiger Bestandteil der Pandemie-Bekämpfung. Daher müssen diese, um richtig zu funktionieren, regelmäßig gewartet werden, was auch die hohe Beanstandungsquote bestätigt.
Der vollständige Baurechtsreport 2021 ist hier abrufbar.
„Master-Impfstoff“ gegen Corona in der Mache
Das Corona-Virus tritt in seiner Wildform heute kaum noch auf. Mutationen, die sich aus diesem Urtyp entwickelt haben, dominieren aktuell das Infektionsgeschehen. Gegen die im Moment bekannten Varianten des Virus wirken die aktuell eingesetzten Impfstoffe noch recht gut. Jedoch ist die Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe gegen die Delta-Variante beispielsweise schon eingeschränkter, als gegen den Wildtyp bzw. die Alpha-Variante des Corona-Virus. Vermutlich schützen die bekannten Impfstoffe gegen künftige Mutationen des Virus nicht ausreichend.
Super-Impfstoff gegen Mutationen
Wissenschaftler der North Carolina University arbeiten daher aktuell an einem Kombi-Impfstoff gegen das Corona-Virus. Dieser soll vor Mutationen des aktuellen Corona-Virus schützen, aber auch gegen andere Corona-Viren-Arten immunisieren. Diese gelten in Fachkreisen als Risiko für weitere Pandemien. Der Impfstoff basiert auf dem Prinzip der mRNA-Impfstoffe (wie jene von Biontech/Pfizer oder Moderna). mRNA-Impfstoffe transportieren die Informationen über den genetischen Bauplan des Spike-Proteins in Form von Boten-RNA in den Körper. Der menschliche Körper lernt so, wie das Immunsystem Antikörper gegen Covid-19 produzieren kann.
Für die Entwicklung des Super-Impfstoffes gehen die Forscher nun einen Schritt weiter: Sie entwickeln chimäre Spike-Proteine und nicht den Bauplan für ein spezielles Spike-Protein. Die chimären Spike-Proteine sind eine Kombination der Bestandteile der Spike-Proteine von verschiedenen Corona-Viren, wie z.B. die Merkmale der Spike-Proteine von Sars-CoV-2, Sars-CoV und einem Fledermaus-Corona-Virus. Erste Tests an Mäusen führten laut den Forschern zu positiven Ergebnissen. Mäuse, die das Kombi-Präparat erhielten, bildeten Antikörper gegen alle Virenarten, deren Spike-Proteine verabreicht wurden. Jene Tiere, die nur gegen das Sars-CoV-2-Virus geimpft wurden, waren lediglich gegen diese Virus-Art geschützt.
Diese Studie bestätigt, dass der Ansatz, der auf chimären Spike-Proteinen fußt, ein möglicher und vielversprechender Weg ist. Weitere Tests und v. a. auch klinische Studien stehen noch aus.
Der vollständige Forschungsbericht ist hier abrufbar.
Studie zur Auswirkung von Fußballspielen auf Infektionsdynamik
Morgen Abend geht es für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft weiter: Mit dem Spiel gegen England in London startet die Mannschaft in die K.o.-Runde der Fußball Europameisterschaft. Die Schlagzeilen rund um das Turnier werden aber auch in diesem Jahr nicht nur von sportlichen Themen geprägt. Die Corona-Pandemie, Inzidenzwerte und vor allem die so gefährliche Delta-Variante, die sich aktuell vor allem in England rasant ausbreitet, bestimmen die Titelseiten. Ist ein Spiel in Wembley vor rund 45.000 Zuschauern beim aktuell vorherrschenden Infektionsgeschehen überhaupt zu verantworten? Virologen hierzulande schauen mit großen Bauchschmerzen auf die vollen Fußballstadien und fürchten, das die Spiele der Europameisterschaft zu Superspreading-Events werden und die vierte Welle der Pandemie in Schwung bringen.
Fußballspiele müssen keine Pandemie-Treiber sein
Wissenschaftler des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der SDU University of Southern Denmark in Sonderborg untersuchten, wie sich Fußballspiele auf das Infektionsgeschehen auswirken. Dazu analysierten sie, welchen Effekt die Spiele der ersten, zweiten und dritten Fußballbundesliga auf die Infektionszahlen hatten. Hier waren zu Beginn der vergangenen Saison noch Zuschauern im Stadion. Die Forscher kamen nach Auswertung der Daten zu dem Ergebnis, dass Spiele der ersten Bundesliga zu einem statistisch signifikanten Anstieg der Infektionen mit dem Corona-Virus geführt haben. Als Ursachen identifizierten die Forscher die höheren Zuschauerzahlen sowie die Hygieneregel, dass Mund-Nasen-Masken lediglich auf dem Weg zum Sitzplatz getragen werden mussten. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Ligen konnten die Forscher jedoch keine signifikanten Auswirkungen der Spiele auf das Infektionsgeschehen feststellen.
Die Pressemitteilung mit der Zusammenfassung der Studienergebnisse ist hier abrufbar.
Online-Kalkulator für Luftfilter
Eines der wirksamsten Mittel im Kampf gegen das Corona-Virus ist das Einhalten der AHA-Regeln und regelmäßiges, ausgiebiges Lüften. Manchmal ist es aber beispielsweise aufgrund baulicher Gegebenheiten nicht möglich, Räume durch das schlichte Öffnen der Fenster ausreichend zu belüften. Luftreinigungsgeräte sind dann eine tolle Option, um die Raumluftqualität trotzdem hoch und virenfrei zu halten (Eine große Marktübersicht zu aktuell verfügbaren Raumluftreinigern ist beispielsweise hier abrufbar.).
Wirtschaftswissenschaftler der Universitäten Frankfurt und Mannheim haben gemeinsam einen Online-Kalkulator entwickelt, der bei der Wahl des richtigen Raumluftfilters helfen soll. Das Angebot des „Air Filter Calculators“ richtet sich primär an Entscheidungsträger, Schulträger oder Schulleitungen, ist aber selbstverständlich auch für jedermann frei nutzbar, so der Anbieter. Das Online-Tool empfiehlt nach Eingabe einiger weniger Rahmendaten zur Raumsituation die kostengünstigste Ausstattung des Raumes mit mobilen Raumluftfiltern, so dass der gültige Grenzwert für ein erhöhtes Ansteckungsrisiko mit dem Corona-Virus nicht überschritten wird. Aktuell sind 39 Geräte von 23 Herstellern in der Datenbank gelistet.
Direkt zum Rechner geht es hier entlang.
Schweizer Aerosol-Studie bestätigt Sicherheit von Konzertsälen
Die Inzidenzen sinken Deutschlandweit, die Corona-Schutzmaßnahmen werden immer weiter zurück gefahren. Auch für den so lange geschlossenen kulturellen Bereich stehen die Zeichen auf Öffnung. Um die anstehenden Wiedereröffnungsschritte für Künstler und Publikum sicher zu gestalten, wurden bereits einige experimentelle Studien – wie beispielsweise jene des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts – durchgeführt. Die Ergebnisse der Studien zeichnen ein positives Bild: Bei Einhaltung der geltenden Hygieneregeln (Abstand, Maske und Co) und guter Belüftung herrsche im untersuchten Konzertsaal kein erhöhtes Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus.
Schweizer Aerosol-Studie geht d’accord mit Ergebnissen des Fraunhofer Instituts
In der Schweiz wurde nun ebenfalls eine Studie durchgeführt, die sich mit dem Infektionsrisiko in Konzertsälen beschäftigt. Forscher der Hochschule Luzern und des SCOEH haben dazu die Luftbelastung im KKL Luzern untersucht. Das Ergebnis: Für den Konzertsaal konnte eine mehrheitlich gute Lüftungswirksamkeit festgestellt werden. Das Ansteckungsrisiko sei bei konsequenter Einhaltung der Schutzmaßnahmen gering.
Die eidgenössische Studie bestätigt folglich die erfreulichen Forschungsergebnisse des Experiments in der NDR Radiophilharmonie und liefert somit wichtige Erkenntnisse, um auch das kulturelle Leben wieder „hochzufahren“.
Aerosole einfach festkleben
Ob im Supermarkt, der Apotheke beim Bäcker oder beim Arzt: Überall sind Trennwände aus Plexiglas als Schutzwall gegen virenbelastete Aerosole aufgebaut. Sie vermitteln aber eine trügerische Sicherheit: Die Aerosole und die in ihnen potentiell enthaltenen Krankheitserreger werden von den Glasscheiben zwar abgehalten, befinden sich aber immer noch im Raum.
Mit Kleber gegen Corona-Viren
Ein Team aus US-amerikanischen Forschern hat nun eine Lösung für dieses Problem entwickelt: den Aerosol-Leim. Er besteht aus einer wasserlöslichen, chemischen Substanz. Wird er auf Oberflächen – wie beispielsweise den Plexiglastrennwänden – aufgetragen, saugt er die Aerosole quasi aus der Luft und bindet sie.
80 Prozent weniger Aerosole in der Luft nachweisbar
Die Wirksamkeit des Aerosol-Klebers wurde in einem Experiment untersucht. Dazu wurde eine Niesattacke mit hohem Aerosolausstoß simuliert. Durch die Behandlung der Oberflächen im Raum mit dem Aerosol-Leim konnte die Zahl der fliegenden Teilchen in der Luft um sage und schreibe 80 Prozent reduziert werden.
Der vollständige Forschungsbericht ist hier abrufbar.
Konzertbesuche bei Einhaltung der Hygieneregeln unbedenklich
Am 10. Juni war für die Musikerinnen und Musiker der NDR Radiophilharmonie eine Premiere. Nach über einem Jahr Corona-bedingter Zwangspause fand das erste Live-Konzert wieder statt – vor Publikum und Dummys. Das Test-Konzert wurde unter Einhaltung der aktuell gültigen Corona-Bestimmungen des Landes Niedersachsen veranstaltet. Ziel des Experiments war es herauszufinden, ob ein Konzert im Innenraum wieder sicher durchgeführt werden kann. Dazu wurde untersucht, wie sich die Aerosole im Konzertsaal verhalten (über den Versuch selbst haben wir bereits berichtet).
Konzertsäle mit Hygienekonzept sind sicher
Die Forscher des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts unter der Leitung von Dr. Wolfgang Schade haben nun die Ergebnisse des Experiments veröffentlicht: Generell spricht aus ihrer Sicht nichts gegen die Wiedereröffnung von Konzertsälen. Für den analysierten Fall bedeutet das konkret: Bei guter Lüftung, mit einer Sitzplatz-Belegung von 500 Personen im Schachbrett-Muster und ständigem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei eine Infektion mit dem Corona-Virus nahezu ausgeschlossen.
Zudem wurde festgestellt, dass die Körperwärme des anwesenden Publikums vertikale Luftströmen im Raum verursacht. Dadurch wurde die Lüftungssituation im Saal zusätzlich verbessert.
Im nächsten Schritt wollen die Forscher anhand der gesammelten Messdaten virologisch untersuchen und bewerten, ob eine Saal-Belegung im Schachbrett-Muster auch ohne Maske in Zukunft möglich sein könnte. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Zwei Drittel der eingeatmeten Aerosole gelangen in die tiefen Lungen-Areale
Es herrscht mittlerweile allgemeiner Konsens darüber, dass sich das Corona-Virus hauptsächlich über Aerosole verbreitet. Diese kleinsten Schwebeteilchen gelangen über die oberen Atemwege in den Körper. Das Virus dringt dann beispielsweise über die Nasenschleimhäute in den Körper ein und verbreitet sich von dort aus im menschlichen Organismus. Aber was passiert mit den Aerosolen, die nicht an den Schleimhäuten „hängen bleiben“?
Die Reise der Aerosole durch die Atemwege
Forscher der University of Technology Sydney haben nun untersucht, wie weit eingeatmete Aerosole in die Lunge gelangen können. Der Aufbau der menschlichen Lunge und ihrer Verästelungen ist hoch komplex. Obwohl Computersimulationen nur sehr schwer umsetzbar sind, konnten die Wissenschaftler ein Modell entwickeln, das die ersten 17 Äste der Atemwege abbildet. Das Ergebnis der Simulation ist deutlich: In diesen Lungenverzweigungen lagern sich – je nach Atemfrequenz – zwischen 32 und 35 Prozent der Viruspartikel ab. Das heißt im Umkehrschluss, dass etwa zwei Drittel der eingeatmeten Aerosole in die tiefsten Lungen-Areale gelangen.

Asymmetrisches menschliches Lungenmodell (Quelle: https://aip.scitation.org/na101/home/literatum/publisher/aip/journals/content/phf/2021/phf.2021.33.issue-6/5.0053351/20210617/images/medium/5.0053351.figures.online.f1.jpg)
Erklärung für das Phänomen des unbemerkten Sauerstoffmangels
Das Modell der australischen Forscher erklärt auch das Phänomen, dass Covid-19-Patienten viele kleine Entzündungsherde in der Lunge entwickeln und nicht – wie bei einer normalen Lungenentzündung – vereinzelte größere. Das Aveolarsystem sorgt dafür, dass der eingeatmete Sauerstoff aus der Atemluft aufgenommen wird und ins Blut übergeht. Das Corona-Virus kann die Lunge so schwer schädigen, dass der aufgenommene Sauerstoff im Blut stark sinkt. Typisch für das Virus ist, dass es viele Bereiche der Lunge schädigt, was sich in den vielen kleinen Entzündungsherden widerspiegelt. Dadurch bemerken die Betroffenen oftmals gar nicht, wie wenig Sauerstoff ihre Lunge aufnimmt. Sie bleibt noch lange elastisch, das Atmen fühlt sich für den Patienten normal an. Lediglich anhand der Parameter Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung lässt sich erkennen, dass der Patient ein Problem hat.
Mehr Ablagerungen im rechten als im linken Lungenflügel
Ein weiteres Ergebnis der Simulation ist, dass sich im rechten Lungenflügel – speziell im Ober- und Unterlappen – mehr Viruspartikel ablagern als im linken. Dies sei auf den asymmetrischen Aufbau der Lunge sowie auf die unterschiedlichen Atemwegsströme durch die Lungenlappen zurückzuführen.
Durch die Ergebnisse der Simulation soll zum einen das Verständnis, wie das Corona-Virus übertragen wird, verbessert werden. Zum anderen soll das Modell wichtige Erkenntnisse für die Therapie von Covid-19 liefern: So könnten beispielsweise medizinische Geräte entwickelt werden, durch die gezielt Medikamente im untersuchten Bereich des Atemsystems verbreicht werden können.
Die vollständigen Ergebnisse der Studie sind hier abrufbar.
Macht es Sinn, die Maskenpflicht zu kippen?
Traumhaftes Wetter, sinkende Infektionszahlen und eine deutschlandweite Inzidenz von 13,2 – die schmerzlich vermisste „Normalität“ scheint langsam aber sicher zurückzukehren. Zahlreiche Bundesländer beginnen, ihre Einschränkungen zu lockern oder stellen dies zumindest in Aussicht. Am großzügigsten zeigen sich die Regierungen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Hier fiel gestern der Startschuss für die Rückkehr des Nachtlebens. Tanz-Clubs können mit beschränkter Personenzahl und strengen Hygiene-Auflagen wieder öffnen. Zudem beschloss Sachsen-Anhalt, die bislang geltenden Kontaktbeschränkungen in Kontaktempfehlungen umzuwandeln. In Brandenburg werden sogar sämtliche Kontaktbeschränkungen in der Öffentlichkeit aufgehoben.
Eine nahezu übereinstimmende Linie fahren die Bundesländer in Sachen Maskenpflicht. In Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Rheinland-Pfalz können die Masken bei Aktivitäten draußen künftig in der Tasche bleiben. Tragepflicht gilt nur noch zum Teil, etwa bei dichtem Gedränge oder, wie in Bremen beschlossen, nur noch an Bushaltestellen oder Bahnhöfen. Auch an Schulen werden die Maskenregeln gelockert. Im ansonsten eher strengen Bayern dürfen Schüler ihre Masken künftig zumindest auf dem Pausenhof und bei Wandertagen ablegen.
Handels- und Lehrerverband sehen zu schnelle Lockerungen kritisch
Was den einen freut, alarmiert den anderen und so ließen die vorsichtigen Stimmen nicht lange auf sich warten: Die Bundesregierung mahnte auch angesichts neuer Virusvarianten zur Vorsicht vor allem in Innenräumen. „Wir haben alle mehr davon, wenn wir uns noch ein wenig disziplinieren“, sagte Vize-Sprecherin Martina Fietz in Berlin. Auch von Ländern, Kommunen und dem Handel kamen Warnungen vor zu raschen Lockerungen. Der Handelsverband Deutschland reagierte zurückhaltend auf Rufe nach einem Ende der Maskenpflicht. „Wir müssen jetzt alles vermeiden, was die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie gefährdet und möglicherweise in einen nächsten Lockdown führt.“ Kunden und Händler hätten sich an die Maskenpflicht gewöhnt. Sie sollte erst abgeschafft werden, wenn Experten aus Medizin und Politik es für verantwortbar halten.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, zeigte sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur vorsichtig: „Es ist zwar richtig, dass Masken eine Belastung für die Betroffenen sind, sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler. Aber in der Gesamtabwägung warnen wir vor einer vorschnellen Abschaffung.“ Es gebe erhöhte Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen, die bisher kaum geimpft seien. Auch rund 50 Prozent aller Lehrkräfte hätten noch keinen vollen Impfschutz.
Wissenschaftler sprechen sich für weitere Maskenpflicht aus
Und tatsächlich: Nach Ansicht von Wissenschaftlern könnte eine generelle Aufhebung der Maskenpflicht ein Wiederaufflammen der Pandemie nach sich ziehen. „Wenn wir nach dem Wegfall der Testpflicht in vielen Situation nun auch noch die Maskenpflicht fallen lassen, sind wir im Grunde in einem ungestörten Leben wie vor der Pandemie“, sagte Eberhard Bodenschatz vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. Das Virus aber sei noch da und wesentlich infektiöser durch Mutationen. „Warum soll die Pandemie dann nicht wiederkommen?“.
Laut Aerosolforscher Christof Asbach stellt sich in Innenräumen die Frage des akzeptablen Risikos. „Die Wahrscheinlichkeit in Innenräumen auf einen Infizierten zu treffen, bleibt mit und ohne Maskenpflicht gleich“, sagte der Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung der dpa. „Das Risiko, sich anzustecken, ist ohne Maske natürlich höher.“ Er plädiere auch an die Vernunft der Menschen, sich unabhängig von Vorgaben in kritischen Situationen zu schützen.
Berliner Corona-Formel berechnet mögliche Personenzahl in geschlossenen Räumen
In vielen Bundesländern wird die Anzahl an Personen, die zeitgleich ein kulturelles Event in einem geschlossenen Raum besuchen darf, entsprechend der Corona-Schutzverordnung vorgegeben. Diese berechnet sich unter anderem nach aktueller 7-Tages-Inzidenz und der Raumgröße.
Die Bundeshauptstadt geht nun einen anderen, flexibleren Weg: Die sogenannte Berliner Corona-Formel berechnet unter Einbezug von situationsspezifischen Gegebenheiten, wie viele Personen sicher an einer kulturellen Veranstaltung in einem Innenraum teilnehmen können. Dazu werden unter anderem folgende Variablen in Beziehung gesetzt: der sogenannte virenfreie Zugluftvolumenstrom (also quasi die Frischluftzufuhr), die Belüftungsart, die im Raum getragene Maskenart (Alltagsmaske vs. medizinische Maske vs. FFP2-Maske) und die Dauer des Aufenthalts.
Die Berliner Formel mag auf den ersten Blick kompliziert wirken. Sie liefert allerdings einen wertvollen Ansatzpunkt, da sie die situativen Gegebenheiten von Räumen mit ins Kalkül zieht und eine präzisere Grundlage für die Berechnung von Teilnehmerzahlen für Events sein könnte, als die starren Zahlen, die die Corona-Schutzverordnung bisher vorgab.
Illustration: Andrey Popov @ AdobeStock . com